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Furcht vor Veränderung

Veränderungen sind ein integraler Bestandteil unseres Lebens. Von der persönlichen Entwicklung bis hin zu gesellschaftlichen Umbrüchen werden wir kontinuierlich mit Wandel konfrontiert. Dennoch verspüren viele Menschen eine tiefe Angst, wenn es um das Thema Veränderung geht – sei es in Bezug auf den Arbeitsplatz, die Beziehung oder große gesellschaftliche Umwälzungen wie den Klimawandel.

Doch warum ist das so?

Um diese Frage zu beantworten, ist es notwendig, tiefer in die Psychologie des menschlichen Verhaltens einzutauchen und zu verstehen, wie unser Gehirn auf Veränderungen reagiert und was diese Prozesse für unser Handeln bedeuten.

Veränderungen und unser Gehirn

Das menschliche Gehirn ist darauf ausgelegt, Muster zu erkennen und Vorhersehbarkeit zu bevorzugen. Diese Fähigkeit zur Mustererkennung hat im Laufe der Evolution unser Überleben gesichert, da wir Gefahren leichter antizipieren und vermeiden konnten. Veränderungen – insbesondere unvorhersehbare – bringen diese Routine aus dem Gleichgewicht und lösen Stress aus. Das Gehirn schüttet in solchen Situationen vermehrt Stresshormone wie Cortisol aus, was zu erhöhter Wachsamkeit und manchmal zu Angst führt. In der modernen Welt bedeutet dies, dass bereits kleine Unsicherheiten, wie der Wechsel des Arbeitsplatzes oder politische und klimatische Veränderungen, eine ähnliche Reaktion hervorrufen können, wie es in der Vergangenheit der Fall war, als uns existenzielle Bedrohungen bevorstanden.

Warum fürchten wir uns vor Veränderungen?

Eine der Hauptursachen für die Angst vor Veränderung ist der sogenannte „Status Quo Bias„. Menschen neigen dazu, den aktuellen Zustand zu bevorzugen, selbst wenn dieser nicht optimal ist. Dies erklärt, warum Menschen oft in unglücklichen Beziehungen oder unbefriedigenden Arbeitsverhältnissen verharren, obwohl sie objektiv gesehen bessere Alternativen hätten. Der Status Quo gibt ein Gefühl der Sicherheit und Vertrautheit. Veränderungen, auch wenn sie langfristig positiv sein könnten, bringen Unsicherheiten mit sich, und unser Gehirn tendiert dazu, das Risiko negativer Konsequenzen höher zu bewerten als die Chancen auf Verbesserung.

Zudem spielt die Verlustaversion eine große Rolle. Die Forschung zeigt, dass Menschen Verluste stärker empfinden als gleichwertige Gewinne. Wenn wir also mit Veränderungen konfrontiert werden, fokussieren wir uns häufig auf das, was wir verlieren könnten, anstatt auf das, was wir gewinnen könnten. Das macht es schwierig, neue Möglichkeiten zu erkennen und sie zu ergreifen.

Ein Beispiel: Anna und ihr unzufriedenstellender Job

Anna arbeitet seit zehn Jahren in einem großen Unternehmen. Obwohl sie unzufrieden mit ihrer Arbeit ist – sie fühlt sich unterfordert, ihr Chef wertschätzt sie nicht, und die Aufstiegschancen sind gering – bleibt sie in ihrer Position. Sie hat bereits mehrfach überlegt, sich nach einer neuen Stelle umzusehen. Ein ehemaliger Kollege hat ihr sogar eine vielversprechende Position in einer kleineren, dynamischeren Firma angeboten, die besser zu ihren Fähigkeiten und Interessen passen würde. Doch Anna zögert.

Was hält Anna zurück? Ihre Angst vor Veränderung. Sie hat sich an die Routinen ihres Jobs gewöhnt und weiß, was sie erwartet – auch wenn diese Erwartung Unzufriedenheit bedeutet. Sie fürchtet, dass sie in einem neuen Job wieder von vorne beginnen und sich von neuem beweisen müsste. Ein neuer Job würde Ungewissheiten mit sich bringen: Würde sie sich in dem neuen Team wohlfühlen? Würden ihre neuen Vorgesetzten ihre Arbeit anerkennen? Was, wenn sie scheitert? Dieser innere Dialog und die Fokussierung auf mögliche negative Konsequenzen (Verlust ihrer vertrauten Umgebung, mögliche Überforderung) verhindern, dass Anna aktiv wird.

Anna zeigt hier einen klassischen „Status Quo Bias“. Sie bevorzugt das Bekannte, auch wenn es sie darunter leidet, gegenüber einer potenziell besseren, aber unsicheren Alternative.

Gesellschaftliche Dimension der Veränderungsangst

In politisch oder sozial brisanten Situationen zeigt sich diese Angst besonders deutlich. Menschen wählen oft Parteien oder treffen Entscheidungen, die den Status Quo bewahren sollen, selbst wenn sie wissen, dass Veränderungen notwendig wären. In vielen Fällen wird dies durch die sogenannte „kognitive Dissonanz“ verstärkt – der innere Konflikt, der entsteht, wenn Überzeugungen und Handlungen nicht im Einklang stehen. Menschen tendieren dazu, Informationen, die ihrer bestehenden Weltsicht widersprechen, zu ignorieren oder zu leugnen, um den inneren Konflikt zu reduzieren. Dies erklärt, warum Menschen nach Unwettern und Überschwemmungen, die der Klimawandel verursacht hat, dennoch jene Parteien gewählt haben, die den menschengemachten Klimawandel leugnen, obwohl sie die Folgen hautnah erlebt haben.

Wie können wir unsere Angst vor Veränderungen überwinden?

Der erste Schritt, um die Angst vor Veränderungen zu überwinden, ist das Bewusstsein darüber, dass diese Ängste normal und evolutionär bedingt sind. Es geht nicht darum, Veränderungen zu vermeiden, sondern einen gesunden Umgang mit ihnen zu finden. Resilienz ist ein Schlüsselbegriff in diesem Kontext. Sie beschreibt die Fähigkeit, sich an neue Situationen anzupassen und aus Krisen gestärkt hervorzugehen. Resilienz lässt sich durch positive Denkansätze, Selbstreflexion und die Förderung eines starken sozialen Netzwerks stärken. Wer sich bewusst mit seinen Ängsten auseinandersetzt, kann sie besser verstehen und in den Griff bekommen.

Ein weiterer wichtiger Ansatz ist das sogenannte „Growth Mindset“, ein Konzept der Psychologin Carol Dweck. Menschen mit einem Growth Mindset sehen Veränderungen und Herausforderungen als Gelegenheit zur persönlichen Entwicklung. Sie glauben, dass Fähigkeiten und Intelligenz durch Anstrengung und Erfahrung wachsen können. Wer also Veränderungen als Chance und nicht als Bedrohung sieht, wird weniger Angst davor haben und offener für neue Möglichkeiten sein.

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