Sie hassen Ihren Job, können es sich aber nicht leisten, zu gehen?
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Hassen Sie Ihren Job? „Hassen“ ist vielleicht etwas zu stark aufgetragen. Aber viele von uns kommen nach vielen Jahren im gleichen Job an ihre Grenzen: Die Aufgaben haben sich möglicherweise seit dem Beginn so verändert, dass der Job nicht mehr dem gleicht, für den Sie sich damals beworben haben. Das Arbeitsvolumen ist vielleicht kaum mehr schaffbar. Auch könnte ein Führungswechsel das gute Arbeitsklima zerstört haben oder es fehlt einfach an Karriereperspektiven. Auf der anderen Seite haben wir alle Verpflichtungen, sei es die Ausbildung unserer Kinder zu finanzieren oder auch das lang ersehnte Eigenheim abzubezahlen.
Gleichzeitig schrumpft der Arbeitsmarkt durch die andauende Wirtschaftskrise wieder. Die Arbeitslosenquote in Österreich liegt im September 2025 laut dem Arbeitsmarktservice bei 7 %. Große und innovative Firmen entlassen Personal und die Firmenpleiten häufen sich: Unternehmen wie der Textilproduzent Lenzing müssen bis zu 600 Verwaltungsstellen streichen und beim Automobilentwickler AVL in Graz werden etwa 350 Positionen abgebaut. Die Lebensmittelkette Unimarkt sperrt alle seine Filialen zu. So wird klar: Selbst wer im Job bleibt, befindet sich auf unsicherem Fundament.
Es ist bequem, den Frust im Job als „Schicksal“ abzutun — doch genau diese Haltung lähmt. Wenn wir tagtäglich unzufrieden sind, bleibt das nicht ohne Folgen: für unsere Gesundheit, unser Selbstbewusstsein und unsere Zukunft.
Angesichts dieser Rahmenbedingungen wäre es naheliegend zu denken, man könne im Job einfach „durchhalten“, denn es würde schon irgendwann besser werden. Der Druck, abgesichert zu sein, ist real — zugleich wächst aber die Bedeutung, den eigenen Job aktiv zu gestalten. In solchen Zeiten reicht es nicht, „mit dem Frust klarzukommen“ — wir müssen die Art und Weise, wie wir mit Arbeit umgehen, grundsätzlich überdenken.
Nicht einfach hinnehmen
Wenn Unternehmen Restrukturierungen ankündigen, ist die Tendenz stark, sich zurückzuziehen, sich abzusichern, jede:r alleine für sich zu kämpfen. Der Artikel in der britischen Zeitung Guardian „Hate your job – but can’t afford to leave?“ spricht von 20 Wegen, mehr Freude im Job zu finden.
Beziehungen, Kolleg:innen, Netzwerke können aber helfen, neue Perspektive zu gewinnen. Seien Sie mutig: Initiativen in Abteilungen, solidarische Austauschgruppen, gemeinsame Projektideen, die Mitarbeiter:innen aktiv beteiligen. Wer gemeinsam reflektiert und handelt, kann auch in Krisenzeiten Resilienz schaffen.
Wir müssen aber auch realistisch sein: Nicht jede Arbeitsstelle bietet große Freiheitsgrade. Doch der Guardian rät den Fokus auf Teilaspekte zu legen, die noch Freude machen. Das könnte bedeuten: Mehr Zeit am Schreibtisch mit eigener Entscheidung, weniger Routinearbeiten oder ein Projekt, das Raum für Kreativität lässt. Wer bewusst diese Nischen stärkt, bringt Risse in die Gleichförmigkeit – und in Krisenzeiten sind das die kleinen Inseln, die Stabilität spenden.
In einer Phase, in der sich vieles von außen bestimmt anfühlt, ist die Frage legitim: Womit kann ich selbst Kontrolle zurückgewinnen? Der Artikel empfiehlt, den Arbeitsraum bewusst zu gestalten — Farben, Pflanzen, Licht, Dekor. Das mag oberflächlich wirken, aber es signalisiert: Ich habe Einfluss – auch wenn die Makro-Ebenen rau sind.
Wenn Sie Ihre Arbeit nur noch als Belastung wahrnehmen, haben Sie über die Jahre eine innere Entfremdung aufgebaut. Journaling, Dankbarkeitsübungen oder regelmäßige Reflexionsblöcke helfen, das zu entwirren. Meiner Meinung nach, sind diese Methoden keine „esoterische Spielerei“, sondern essenzielle Selbstverteidigung. Indem Sie schreiben, sortieren und reflektieren Sie — und vielleicht entsteht dadurch eine neue Idee oder ein neuer Plan.
Der Artikel im Guardian verweist auf Weiterbildung und interne Wechsel als langfristige Strategie. In Europa sind bereits viele Berufe Mangelberufe (siehe Link unten). Wer sich in eine solche Richtung qualifiziert, setzt auf eine sichere Zukunft. Zugleich braucht jede:r, auch in „sicheren“ Jobs, einen Exit-Plan. Wenn Sie heute nicht beginnen, Ihnen Alternativen aufzubauen – ein Netzwerk, neue Kompetenzen, Nebenprojekte – haben Sie später nur mehr begrenzte Optionen.
In Krisenzeiten werden Mitarbeitende oft dazu gedrängt, „mehr zu leisten“, „unverzichtbar zu sein“. Doch genau dann braucht es Grenzen. Der Guardian-Artikel warnt davor, dem Job alles unterzuordnen. Wer in der Krise keine mentalen Reserven hat, brennt schneller aus. Freizeit, Familie, Hobbys dürfen nicht Opfer des Frusts werden.
Die 20 Wege im Detail:
- Erinnern Sie sich daran, warum Sie diesen Beruf oder diese Position ursprünglich gewählt haben – das bringt oft wieder Sinn und Motivation zurück.
- Lenken Sie Ihren Blick bewusst auf das, was Ihr Job Ihnen derzeit gibt – sei es finanzielle Sicherheit, soziale Kontakte oder ein geregelter Alltag.
- Suchen Sie aktiv den Austausch mit Kolleg:innen, denn geteilte Gedanken und Erfahrungen schaffen Verbindung und entlasten.
- Bringen Sie Humor und Leichtigkeit in Ihren Arbeitsalltag, kleine Momente des Lachens oder Augenzwinkerns können viel verändern.
- Lernen Sie etwas Neues – beruflich oder privat –, um geistig in Bewegung zu bleiben und Ihre Neugier zu erhalten.
- Ändern Sie, wenn möglich, zeitweise Ihren Arbeitsplatz oder Ihr Umfeld, um neue Perspektiven zu gewinnen.
- Gestalten Sie Ihren Arbeitsplatz mit Dingen, die Ihnen guttun oder Sie inspirieren.
- Führen Sie ein Dankbarkeitstagebuch oder eine Reflexionsroutine, um die positiven Seiten Ihrer Arbeit bewusster wahrzunehmen.
- Machen Sie sich klar, welche Aufgaben Ihnen Freude bereiten, und versuchen Sie, diesen Anteil in Ihrem Arbeitsalltag zu stärken.
- Gestalten Sie Ihren Job aktiv mit („Jobcrafting“) – etwa indem Sie Verantwortungsbereiche leicht anpassen oder neue Ideen einbringen.
- Strukturieren Sie Ihre Aufgaben („Taskcrafting“) so, dass sie Ihren Stärken und Ihrem Arbeitsrhythmus besser entsprechen.
- Setzen Sie Ihre besonderen Talente bewusst ein, auch in Bereichen, in denen sie bisher wenig gefragt waren.
- Denken Sie – falls möglich – über einen Wechsel innerhalb der Firma nach, um Abwechslung, neue Aufgabenfelder oder neue Kolleg:innen kennenzulernen.
- Belohnen Sie sich regelmäßig für erledigte Aufgaben, besonders dann, wenn sie Ihnen schwerfallen oder viel Energie kosten.
- Suchen Sie bei Problemen gemeinsame Lösungen, statt alles allein zu tragen – Teamarbeit entlastet und schafft Zusammenhalt.
- Gestalten Sie Ihren Arbeitstag aktiv, planen Sie bewusst Pausen und Zeitfenster für konzentriertes Arbeiten ein.
- Zeigen Sie Freundlichkeit und Wertschätzung im Alltag, kleine Gesten verändern das Arbeitsklima mehr, als man denkt.
- Achten Sie darauf, wie Sie zu Hause über Ihre Arbeit sprechen, und betonen Sie auch die guten Seiten – das verändert die innere Haltung.
- Achten Sie auf Ihre Balance, indem Sie Freizeit, Familie und Hobbys aktiv pflegen und Ihre Arbeit nicht zum alleinigen Lebensinhalt machen.
- Bereiten Sie sich langfristig auf Veränderungen vor, indem Sie sich weiterbilden, Netzwerke aufbauen und mögliche Alternativen prüfen.
Die vorgestellten Wege sind nicht nur nette Ideen – sie sind Einladung und Herausforderung zugleich. Es reicht nicht, „etwas besser“ zu fühlen – wir müssen uns innerlich aktivieren und bewusst gestalten.
Wählen Sie eine einzelne Strategie, setzen Sie sie konsequent für einen Monat um, reflektieren Sie das Ergebnis. Nur durch aktives Handeln verschieben wir die Grenze zwischen Frust und Teilhabe.





